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Problemlagen kompetitiver Figurationen. Am Beispiel des „Mitzählenden Flaschenöffners“

Eberhard Wolff, Basel/Zürich

- VORLÄUFIGES ARBEITSPAPIER -


1) Das Objekt zum DFG-Netzwerk:

 

                                                          

„Mitzählender Flaschenöffner“ (Kapselheber), mit elektronischem Zählwerk (dreistelliges LCD-Display).

 

2014 im Vertrieb der internationalen Handelskette Tchibo. Abmessungen: 128 x 45 x 22 mm, Herstellungsort unbekannt. Metall, Kunststoff, div. elektronische Bauteile.

Produktbeschreibung des Anbieters: „Flaschen öffnen mit Wow-Effekt! Dieser Flaschenöffner ist mit einem Sensor ausgestattet, der die geöffneten Flaschen zählt. Jedes Öffnen wird von einem »Plopp«-Sound begleitet, nach jeder 6. Flasche ertönt ein »Wow«-Sound aus dem integrierten Lautsprecher. Das LC-Display gibt Auskunft über die Anzahl der bereits geöffneten Flaschen, das Zählwerk kann per Reset-Funktion zurückgesetzt werden. Inkl. Batterien.“

Die Handelskette Tchibo vermarktete den Mitzählenden Flaschenöffner auf ihrer Website für die Kalenderwoche 50/2014 mit dem Slogan „Für echte Männer und grosse Jungs“ in der Kategorie „Geschenke für ihn“. (Quelle: http://www.tchibo.ch/mitzaehlender-flaschenoeffner-p400061764.html, Aufruf  7.2.2015)

Ein ähnliches Produkt wird beim Anbieter www.amazon.de auch als „Partygag“ bzw. „Beer Tracker“ verkauft, teils mit fünfstelligem LCD-Zählwerk. Amazon informiert, dass diese Produkte mit anderen wettbewerbsrelevanten Produkten gekauft wurden, etwa über Büchern mit Trinkspielen und Partyspielen.

                                                                                            


Die Bedeutung des Objekts für das DFG-Netzwerk „Wettbewerb und Konkurrenz“

Ein scheinbar unscheinbares Ding, der „Mitzählende Flaschenöffner“ (hier abgekürzt „MzFö“), wirft Fragen auf. Fragen von zentraler Natur für das DFG-Netzwerk „Wettbewerb und Konkurrenz“.

  • Für welche Art von Wettbewerben ist der MzFö vorgesehen?
  • Für welche Art von Wettbewerben wird der MzFö in der Praxis gemeinhin verwendet?
  • Sind „Trinkwettbewerbe“ mit dem MzFö notwendigerweise alkoholischer Natur?
  • Wie weit tragen Dinge wie der MzFö zu der Hypothese bei, dass die gegenwärtige Gesellschaft eine (Trink-)Wettbewerbsgesellschaft ist? 
  • Ist der MzFö Ausdruck einer „Leistungs- oder Wettbewerbsgesellschaft“ bzw. einer „Erfolgskultur“ oder einer anderen Figuration spätmoderner Alltagswirk-lichkeit?  
  • Fördert der MzFö eine „Wettbewerbslogik“ bzw. „Konkurrenzideologie“ unserer gegenwärtigen Gesellschaft?
  • Kann der MzFö anders herum die Annahme einer um sich greifenden „Wettbewerbslogik“ bzw. „Konkurrenzideologie“ dekonstruieren?
  • Kann das Zählwerk des MzFö als Teil einer Rechenschafts- und Evaluationskultur verstanden werden?
  • Bedarf es für Trinkwettbewerbe immer das Alkohols? 
  • Schafft ein (Trink-)Wettbewerb immer auch eine (Trink-)Konkurrenzsituation? 
  • Welche Rolle spielt der Alkohol in Wettbewerbskulturen generell?  
  • Kann man mittels des MzFö mit sich selbst in den (Trink-)Wettbewerb treten oder bedarf es immer mindestens zweier Beteiligter für einen Wettbewerb?
  • Wie weit sind (Trink-)Wettbewerbe, nicht zuletzt mt dem MzFö, auch als Spiele zu verstehen und damit in gewissem Umfang als Handeln ausserhalb üblicher gesellschaftlicher Regeln (aber nicht unabhängig von ihnen) zu verstehen? 
  • Welchen performativen Wirkungen haben Dinge wie der MzFö auf das kompetitive (Trink-)Verhalten der Beteiligten? 
  • Wie beeinflussen die Anwender den Umgang mit Dingen wie dem MzFö hinsichtlich ihres kompetitiven (Trink-)Verhaltens? 
  • Können MzFös und ihre Anwender als Aktanten verstanden werden? Sind die Getränke Teil des Aktanten?
  • Welche Rolle spielen Prozesse der Aneignung von Wettbewerben auf die Wettbewerbe selber? 
  • Wie gegendert sind (Trink-)Wettbewerbe? 
  • Kann der kompetitive Umgang mit dem MzFö als „eigensinnige“ Praxis interpretiert werden?
  • Dient der kompetitive Umgang mit dem MzFö der Ausbildung einer Wettbewerbskultur im Sinne eines „Unternehmerischen Selbst“?
  • Dient der kompetitive Umgang mit dem MzFö der Selbstoptimierung?
  • Wenn ja, welcher Form von Selbstoptimierung dient er? 
  • Dient das Anwenden des MzFö in einem kompetitiven Umfeld der Selbstermächtigung des Anwendenden, seinem Empowerment? Welche Formen von Macht (im weiten, diskurstheoretischen Sinn von Macht) erzeugt es?
  • Welche Formen von (Trink-)Wettbewerbskulturen bedient der MzFö?
  • Auf welchen kulturellen Grundlagen basiert die angenommene Wettbewerbslogik des MzFö?
  • Wie weit strukturieren oder reflektieren kompetitive Dinge wie der MzFö Selbstdefinitionen des Menschen? 
  • Stellt der MzFö eine Brücke zwischen den kompetitiven Praxen der Berufs- und der Freizeitwelt dar? 
  • Ist der MzFö eher Ausdruck einer zeitspezifischen Kompetitivitätskultur im historischen Prozess oder eher Ausdruck langfristiger, epochenübergreifender kompetitiver Alltags-Trink-Kulturen?
  • Welchen Formen von Vergesellschaftung nach Simmel dient der MzFö?
  • Bietet der MzFö einen Ansatzpunkt für eine kulturwissenschaftlich-ethnographische Wettbewerbsanalytik in vornehmlich praxeologischer Perspektive? 
  • Welche kompetitive Semantik repräsentiert der MzFö?
  • Ist das Anwenden des MzFö eine affirmative oder eine subversive Praxis?

 

Quellen:

Markus Tauschek: Antrag zur Einrichtung des wissenschaftlichen Netzwerks „Wettbewerb und Konkurrenz: Zur kulturellen Logik kompetitiver Figurationen“. Unveröffentlichtes Manuskript, Kiel o.J.

Mit herzlichem Dank für alle Anregungen an Markus Tauschek, am Aschermittwoch 2015.